Stellen Sie sich vor, dass Sie, anstatt sich wöchentlich mit Ihrem Therapeuten zu treffen, regelmäßig an einer Umfrage teilnehmen würden, um über Ihre Gedanken, Gefühle und Probleme zu reflektieren. Das wäre wenig effektiv, denn schließlich ist der Mensch sehr komplex. Sein Wesen lässt sich nicht anhand eines Fragenkatalogs erfassen. Auch bei der Entwicklung eines Produkts ist es wichtig, das direkte Gespräch mit den zukünftigen Benutzern zu suchen, denn wertvolle Erkenntnisse lassen sich nicht aus einer Reihe von Fragen und Ja/Nein-Antworten ableiten.
Wenn Sie sich ein umfassendes Bild über das Benutzererlebnis (User Experience; UX) Ihrer Zielgruppe machen möchten, müssen Sie die Gefühle und Beweggründe dieser Nutzer verstehen und herausfinden, wie und warum sie Ihre Produkte verwenden. Diese Art von Nutzerforschung ist eine wichtige Voraussetzung für ein wohl durchdachtes, zweckmäßiges Design. Doch ob dabei tatsächlich auch wertvolle Erkenntnisse herauskommen, hängt weitgehend davon ab, wie effektiv Ihre Interviews sind. Wählen Sie die falsche Herangehensweise, lassen Sie sich Feedback entgehen, mit dem Sie Ihr Design bedeutend verbessern könnten.
In diesem Artikel sehen wir uns an, warum Benutzerinterviews im Rahmen des UX-Designs so wichtig sind, wie man die geeigneten Teilnehmer dafür findet und wie man Interviews richtig durchführt.
Was sind UX-Benutzerinterviews?
UX-Benutzerinterviews können theoretisch in jeder Phase des Entwicklungsprozesses stattfinden, werden jedoch am häufigsten schon vor der Entwurfsphase durchgeführt, um die allgemeine Entwicklungsrichtung des Produkts effektiver bestimmen zu können. Würden diese Interviews erst später durchgeführt werden, müsste das Design womöglich im Nachhinein noch einmal korrigiert werden.
Sollten Sie sich trotzdem dazu entschließen, erst im Verlauf der Entwicklungsphase Benutzerinterviews durchzuführen, können Sie zu diesem Zeitpunkt nützliches Feedback darüber sammeln, was Benutzern an Ihrem Design gefällt und was nicht, und ihre Verhaltensweisen studieren.
UX-Benutzerinterviews sind persönliche Gespräche (entweder aus der Ferne durchgeführt oder an einem bestimmten Treffpunkt), die in der Regel zwischen zwei UX-Designern und einem Zielbenutzer stattfinden. Diese formellen Gespräche liefern qualitative Eigenangaben der Nutzer, die dem Produktmanager oder User-Experience-Designer helfen, die Herausforderungen und Reibungspunkte der Zielgruppe zu verstehen, damit sie diese überwinden und das Gesamterlebnis verbessern können.
Die wichtigsten Unterschiede zwischen Nutzerinterviews und Fokusgruppen sind:
- Bei Benutzerinterviews handelt es sich um Einzelgespräche, während in Fokusgruppen – wie der Name schon andeutet – eine Gruppe von Teilnehmern miteinander diskutieren.
- Bei Fokusgruppen analysieren Sie die Interaktionen der Gruppe mit einem Prototyp Ihres Designs, während bei Benutzerinterviews mündliches Feedback abgefragt wird.
- Fokusgruppen umfassen Gespräche in einer Gruppe von Benutzern, bei denen die Teilnehmer sich gegenseitig beeinflussen können oder gegebenenfalls einen Konsens erreichen, während Benutzerinterviews nur aus einer Reihe von Fragen und Antworten bestehen.
Tipps zur Durchführung von Nutzerinterviews für die Nutzerforschung
1. Legen Sie Ihre Ziele fest
Vor dem Start der Benutzerinterviews ist es wichtig, dass Sie gemeinsam mit den Produkt-Stakeholdern klare Ziele festlegen. Wenn Sie z. B. eine Meditations-App entwickeln, ist das Ziel möglicherweise herauszufinden, welche Hindernisse Nutzer davon abhalten, jeden Tag zu meditieren. Dann könnten Sie eine App entwickeln, welche die tägliche Praxis fördert. Starten Sie Ihre Nutzerbefragungen erst, nachdem Sie ein klares, spezifisches Ziel vor Augen haben.
2. Finden Sie die richtigen Teilnehmer
Die idealen Teilnehmer können über Ihren aktuellen Nutzerstamm oder über soziale Medien rekrutiert werden. Für Ihre Meditations-App könnten Sie beispielsweise Nutzer suchen, die derzeit Yoga oder Achtsamkeit praktizieren. Wenn ganz offensichtlich ist, dass potenzielle Teilnehmer Ihr Produkt nie verwenden würden, sind sie nicht Ihre Zielbenutzer und werden nicht das gewünschte Feedback liefern.
3. Finden Sie den richtigen Standort
Wenn Sie sich für Ihre Gespräche persönlich mit Teilnehmern treffen, wählen Sie dafür einen privaten Raum mit bequemen Sitzgelegenheiten, in dem sich Teilnehmer willkommen und entspannt fühlen können und in dem kein Branding zu sehen ist. Es ist sinnvoll, dafür einen Raum an einem neutralen Ort außerhalb Ihres Unternehmensstandorts zu wählen. Wenn Ihre Teilnehmer zum Beispiel wissen, dass Sie eine Meditations-App für einen bekannten Sporthersteller entwickeln, kann es sein, dass sie ihre Antworten entsprechend Ihren vermeintlichen Erwartungen wählen, anstatt ganz ehrlich und unvoreingenommen zu antworten.
Wenn Sie das Gespräch online führen, vergewissern Sie sich, dass Ihre Teilnehmer über das nötige Equipment und eine stabile Internetverbindung verfügen. Nehmen Sie mindestens einmal vor dem Gespräch Kontakt auf, um sicherzustellen, dass Ihre Gesprächspartner wissen, auf welchen Link sie klicken müssen, und senden Sie ihnen eine Kalendereinladung. Sie könnten sogar am Tag des Gesprächs eine SMS-Erinnerung verschicken, damit Ihre Teilnehmer den Termin nicht vergessen.
Es ist auch üblich, Nutzer für den Zeitaufwand auf irgendeine Art zu kompensieren. Erwägen Sie eine Geschenkkarte, ein Gratisprodukt oder eine finanzielle Entschädigung, um möglichst große Teilnehmerzahlen zu erzielen.
4. Zeichnen Sie die Gespräche auf
Die Person, welche die Fragen stellt, sollte nicht dieselbe Person sein, welche die Fragen aufzeichnet. Der Interviewer sollte sich voll und ganz auf die Antworten konzentrieren können, damit er sinnvolle Folgefragen stellen kann. Zeichnen Sie das Gespräch entweder auf – wenn es online geführt wird – oder lassen Sie eine andere Person (vorzugsweise einen anderen UX-Designer) während des Vor-Ort-Gesprächs Notizen machen.
5. Stellen Sie die richtigen Fragen
Die Fragen sind der wichtigste und gleichzeitig auch der schwierigste Aspekt von Benutzerinterviews. Es empfiehlt sich, schon vor dem Gespräch die Themenpunkte, die Sie ansprechen möchten, in Form eines Skriptes zusammenzustellen. Die Liste Ihrer Fragen sollte recht lang sein – obwohl Sie wahrscheinlich nicht alle davon in der vorgesehenen Zeit stellen können, da Sie bei Ihren Gesprächspartnern auch noch mit klärenden Fragen nachhaken werden müssen. Dabei ist es sehr wichtig, keine Suggestivfragen zu stellen und auch Fragen zu vermeiden, auf die Teilnehmer theoretisch nur mit Ja oder Nein antworten können. Außerdem müssen Sie möglichst neutral und unvoreingenommen bleiben. Das kann schwierig sein, ist aber entscheidend für die Integrität der Antworten.
Man kann Interviewfragen in vier Kategorien einteilen:
Kennenlernfragen
Diese Fragen helfen Ihnen, Ihre Zielnutzer besser zu verstehen, und sie helfen Ihren Teilnehmern, sich erst einmal an die Interviewsituation zu gewöhnen. Die Antworten könnten Ihnen zudem auch schon Aufschluss über den individuellen Anwendungskontext der jeweiligen Nutzer geben. Hier sind einige Beispiele:
- Wie gestaltet sich ein normaler Tag für Sie?
- Welche Hobbys haben Sie?
- Wie viele Apps nutzen Sie täglich?
- Wie viele Stunden verbringen Sie auf Ihrem Handy?
- Welche Rolle haben Sie in Ihrem Unternehmen?
Produktfragen
Das ist Ihre Chance, das Verhalten von Nutzern in Bezug auf Ihr Produkt oder Design besser zu verstehen. Am Beispiel unserer Meditations-App könnten wir diese Fragen stellen:
- Wie haben Sie zur Meditation gefunden?
- Was hindert Sie daran, jeden Tag zu meditieren?
- Warum meditieren Sie?
Fragen zum Produktpotenzial
Da Sie Ihr UX-Interview wahrscheinlich vor der Designphase durchführen, werden Sie noch keinen fertigen Prototyp haben. Sie könnten Ihren Gesprächspartnern das Produkt trotzdem erklären oder ihnen ein Wireframe bzw. eine Landingpage des Produkts zeigen, um Feedback einzuholen.
- Wie ist Ihr allgemeiner Eindruck von dieser Idee/dem Produkt?
- Welche Art von Person interessiert sich Ihrer Meinung nach für dieses Produkt?
- Was an diesem Produkt oder dieser Website ist für Sie vertrauenerweckend, und was würde es/sie noch vertrauenswürdiger machen?
Fragen zu ähnlichen Produkten
Hier haben Sie die Möglichkeit herauszufinden, was Ihre Konkurrenten richtig oder falsch machen. Führen Sie Ihren Teilnehmern ein konkurrierendes Produkt oder Design vor, um Feedback einzuholen. Einige Beispielfragen, die Sie dabei stellen könnten, sind:
- Was hat Sie an diesem Produkt überrascht?
- Würden Sie dieses Produkt oder diese App weiterhin verwenden?
- Was würden Sie an diesem Produkt verbessern oder ändern?
Das sollten Sie während Benutzerinterviews vermeiden
Auch wenn Sie tatsächlich ein Interview durchführen, sollte es sich für Teilnehmer eher wie ein Gespräch anfühlen. Erwähnen Sie nicht andere Benutzer, oder was „die meisten Leute“ sagen oder denken. Vermeiden Sie Vermutungen jeglicher Art. Schauspielern Sie nicht – Ihr Gegenüber kann es fühlen, wenn Sie ihm Empathie vorgaukeln. Wenn Sie nicht authentisch sein können, sollten Sie vielleicht einer anderen Person die Rolle des Interviewers überlassen.
Richtig durchgeführte UX-Benutzerinterviews bieten Ihnen eine wertvolle Perspektive – die Ihrer potenziellen Benutzer – und geben Aufschluss darüber, wie Sie Ihr Produkt am besten gestalten können. Befolgen Sie die oben genannten Ratschläge, um die erforderlichen Informationen zu erfassen und damit ein angenehmeres Benutzererlebnis zu gestalten.
In Lucidspark können Sie zur Vorbereitung Ihres UX-Designprozesses Notizen verfassen und Nutzerinterviews durchführen.
Jetzt loslegenÜber Lucidspark
Lucidspark, ein Cloud-basiertes virtuelles Whiteboard, ist eine Kernkomponente der visuellen Kooperationssuite von Lucid Software. Auf dieser hochmodernen digitalen Arbeitsfläche können Teams Brainstorming-Sessions durchführen, zusammenarbeiten und gemeinsame Ideen in umsetzbare nächste Schritte umwandeln – alles in Echtzeit. Lucid ist stolz darauf, dass Spitzenunternehmen auf der ganzen Welt seine Produkte nutzen, darunter Kunden wie Google, GE und NBC Universal sowie 99 % der Fortune 500. Lucid arbeitet mit branchenführenden Partnern wie Google, Atlassian und Microsoft zusammen. Seit seiner Gründung wurde Lucid mit zahlreichen Preisen für seine Produkte, Geschäftspraktiken und Unternehmenskultur gewürdigt. Weitere Informationen finden sie unter lucidspark.com.